Blutegeltherapie bei chronischen unteren Rückenschmerzen

Blutegel

Blutegeltherapie

Fifth Article

Der chronische untere Rückenschmerz ist ein vielschichtiges Gesundheitsproblem von weitreichender epidemiologischer und therapeutischer Relevanz. Er zählt zu den sieben meistverbreiteten Erkrankungen weltweit (1). In der Regel liegt eine komplexe multifaktorielle Ätiologie aus Bewegungsmangel, Übergewicht, Überanstrengung und einer Reihe psychosomatischer Faktoren zu Grunde, welche sich häufig in einem Circulus vitiosus wechselseitig im Chronifizierungsprozess des hoch inzidenten akuten Rückenschmerzes verstärken (25). Trotz Fortschritten in der Behandlung – insbesondere durch leitliniengerecht angebotene aktivierende multimodale Therapieprogramme (6) – ist der individuelle Therapieerfolg bei zunehmender Chronifizierung sowie eskalierenden Behandlungsstrategien oftmals unbefriedigend.

Die Blutegeltherapie ist ein Verfahren der traditionellen Medizin und eine häufig ausgeübte Behandlungsmethode im Indikationsbereich chronischer Schmerzsyndrome im Kontext der europäischen, arabischen und asiatischen Naturheilkunde. Medizinhistorisch blickt sie zurück auf eine lange Tradition der klinischen Anwendung vom alten Ägypten über das mittelalterliche Europa (7) bis hin zu ihrer Renaissance in der modernen Medizin (8). In der heutigen medizinischen Praxis werden Blutegel in Europa meist aus der Türkei und Bulgarien importiert, in Deutschland werden sie zudem von aktuell einem einzigen Zuchtbetrieb nach gültigen GMP-Standards (GMP, Good Manufacturing Practice) hergestellt.

Mehrere randomisierte kontrollierte Studien konnten die Wirksamkeit der Blutegeltherapie hinsichtlich Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung für die Indikationen Gonarthrose, Rhizarthrose und Epikondylitis belegen (910). Die Wirksamkeit des Therapieverfahrens bei Gonarthrose ist durch eine Metaanalyse belegt (11). Zwar lässt sich der Rückenschmerz nur bedingt mit anderen muskuloskelettalen Schmerzsyndromen vergleichen, doch erscheint eine Überprüfung der Wirksamkeit vor diesem Hintergrund als gerechtfertigt.

Der exakte Wirkmechanismus der Blutegeltherapie ist noch nicht endgültig geklärt. Während des etwa 60-minütigen Saugaktes geben die Blutegel ihren Speichel in die Wunde ab. Dieser enthält mehr als 100 biologisch aktive Substanzen (12). Jüngere biochemische Untersuchungen identifizierten dabei Wirkstoffe mit gerinnungshemmenden, aber auch analgetischen und antiinflammatorischen Eigenschaften (13). Darüber hinaus enthält der Speichel der Tiere Hyaluronidase, welche die Eindringtiefe der weiteren pharmakologisch aktiven Substanzen fördert. Außerdem können ein antinozizeptiver Effekt durch den Blutegelbiss sowie unspezifische Effekte durch die ungewöhnliche Natur der Therapie vermutet werden, die sich zum klinischen Gesamteffekt addieren.

Ziel dieser klinischen Studie war die Überprüfung der klinischen Wirksamkeit der Blutegeltherapie bei chronischen unteren Rückenschmerzen.

- Veröffentlich im Ärzteblat, 47/2018